Anfang August erschien in der Süddeutschen Zeitung ein lesenswerter, wenn auch wegen seiner Komplexität schwierig zu verstehender Beitrag: „Zwischen Wissen und Glaube, der ahnungslose Patient.“ Doch gleich vorweg, er hält nicht, was die Überschrift verspricht. Der Autor Gerd Antes, Direktor des Deutschen Cochrane-Zentrum in Freiburg, schlägt in die bekannten Kerben, z.B.: Relevantes ist nur auf Englisch zu finden, es fehlt der Wissenstransfer nach Deutschland, nur ein Bruchteil der Studien wird erfasst etc. Und der Patient findet im Internet neben gefährlichen Falschinformationen auch keine Trennung zwischen Fakten, Spekulation, Esoterik und (Aber-)Glauben.
Tradition und Erfahrung werden mit gesicherten Standards verwechselt oder gleichgesetzt. Eine Folge ist, dass die Beschaffung verlässlicher Information fast unmöglich ist, für Fachleute wie Patienten. Es bedarf eines aufwendigen Rücktransfers von Wissen (Knowledge Translation) – zufällig genau das, was Cochrane macht.
Doch der Ansatz von Antes verkennt die Situation: Es geht eben nicht darum, „die für mein Problem relevanten Studien zu finden“, wie er meint. Das interessiert 99% der Patienten mit medizinischen Alltagsproblemen gar nicht. Sie suchen im Internet nach dem geeigneten Behandler in der Nähe oder Erfahrungsberichte von Mitbetroffenen. An einer wissenschaftlichen Bewertung der Informationen sind sie nicht interessiert und wären damit vermutlich überfordert (das sind schließlich sogar viele Fachleute).